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Polizeieinsatz in Göttingen war überwiegend rechtswidrig

Göttingen. Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat mit drei Urteilen vom gestrigen Tage die Durchsuchung mehrerer Wohnungen in Göttingen durch die Polizei anlässlich eines Chemikalienfundes für rechtswidrig erklärt (1 A 325/08, 1 A 262/09, 1 A 263/09).

Am 07.09.2008 wurden im Keller eines Hauses in der Göttinger Innenstadt, das von mehreren Wohngemeinschaften bewohnt wird, chemische Substanzen aufgefunden, die durch die alarmierte Polizei als verdächtig und möglicherweise explosiv eingestuft wurden. Die Polizei veranlasste die Räumung des Gebäudes und seine Durchsuchung, um noch anwesende Personen und etwaige weitere Gefahrenquellen aufzufinden. Die zum Kellerraum gehörende Wohnung sollte mit dem Ziel durchsucht werden, Beweismittel aufzufinden. Daraufhin wurden die Wohnungen der Kläger durchsucht. Dabei wurden Fotos angefertigt; ein Versuch, Videoaufnahmen zu machen, wurde wegen der schlechten Lichtverhältnisse eingestellt.

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme stellte das Gericht fest, dass die Durchsuchung der Wohnungen der Kläger sowie das Anfertigen von Fotos ohne Rechtsgrundlage geschahen. Die beklagte Polizeidirektion Göttingen habe nicht nachweisen können, dass von den Wohnungen der Kläger eine gegenwärtige Gefahr ausgegangen sei. Die im Kellerraum aufgefundenen Chemikalien hätten allenfalls eine Durchsuchung der zu diesem Raum gehörenden Wohnung gerechtfertigt. Diese war jedoch nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens, denn die Polizei hatte irrtümlich eine andere Wohnung durchsucht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich in den durchsuchten Wohnungen versteckte Personen bzw. weitere gefährliche Chemikalien befunden hätten, hätten nicht bestanden. Nur bei Vorliegen einer solchen Gefahr wären indes die Wohnungsdurchsuchungen und das Anfertigen von Fotos in den Privatwohnungen gerechtfertigt gewesen.

Das Gericht vernahm zu den Umständen der Durchsuchung insgesamt 10 Zeugen, vor allem Polizei- und Feuerwehrbeamte sowie Bewohner des Hauses. Da sich die Aussagen der Zeugen in wesentlichen Punkten widersprachen, ohne dass auch nur einer der Zeugen unglaubwürdig erschien, sah sich das Gericht nicht in der Lage, einen bestimmten Sachverhalt zweifelsfrei festzustellen. Der Vorsitzende Richter PräsVG Dr. Smollich fasste die Sicht des Gerichts wie folgt zusammen "Die Kammer hat den Eindruck gewonnen, dass der Streit hauptsächlich dadurch entstanden ist, dass die Beteiligten nicht miteinander gesprochen bzw. aneinander vorbeigeredet haben". Da die beklagte Polizeibehörde nachweis- und beweispflichtig für das Vorliegen einer konkreten Gefahr sei, trage sie die Folgen der Nichterweislichkeit dieser Gefahr.

Lediglich soweit sich die Kläger auch dagegen gewandt hatten, dass Videoaufnahmen gemacht wurden, blieben ihre Klagen erfolglos. Das Gericht sprach den Klägern insoweit das Rechtsschutzbedürfnis ab. Es glaubte der Beklagten, dass wegen der Dunkelheit im Haus keine verwertbaren Aufnahmen entstanden und die gemachten deshalb gelöscht worden seien.

Den Beteiligten steht die Möglichkeit offen, gegen die Entscheidung einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Nds. Oberverwaltungsgericht zu stellen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
07.06.2010

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Dieter Wenderoth

Verwaltungsgericht Göttingen
Berliner Straße 5
37073 Göttingen
Tel: 0551 403-2027
Fax: 05141 5937-33300

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