Artikel-Informationen
erstellt am:
03.07.2008
zuletzt aktualisiert am:
07.06.2010
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat mit Beschluss vom 30.06.2008 einem Antrag der Fa. Remondis GmbH & Co. KG entsprochen, mit dem sich die Firma gegen eine vom Landkreis Göttingen verfügte Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung gewendet hatte (4 B 94/08).
Die Antragstellerin ist ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen, das u.a. Altpapier entsorgt. Sie zeigte dem Antragsgegner an, dass sie plane, gewerblich Altpapier, -pappe und -kartonagen (sog. PPK-Abfälle) im Landkreis Göttingen haushaltsnah einzusammeln und hierzu alsbald mit der Aufstellung zugehöriger sog. "Blauer Tonnen" zu beginnen. Mit der Aufstellung der "Blauen Tonnen" wurde anzeigegemäß am 16. Juni 2008 begonnen.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Aufstellen und Entleeren von blauen Tonnen. Darüber hinaus gebot der Antragsgegner der Antragstellerin, die bereits aufgestellten Tonnen bis zum 19. Juni 2008, 16.00 Uhr, wieder zu entfernen. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der gewerblichen Sammlung von Altpapier ständen öffentliche Interessen entgegen. Als öffentlichrechtlicher Entsorgungsträger müsse er ein kostenintensives Parallelsystem aufrechterhalten, um für den Fall, dass sich gewerbliche Entsorgungsunternehmen zurückzögen, die ihm übertragene Auffangfunktion zu erfüllen bzw. durch Dritte erfüllen zu lassen. Hierdurch würden den Bürgern unzumutbar hohe Gebührensteigerungen zugemutet, weil Erlöse aus kommunalen PPK-Sammlungen und dem Dualen System Deutschland (DSD) ausblieben. Zu den ausbleibenden Erlösen in Höhe von ca. 795.700 Euro kämen die Kosten für die eigene Einführung der Papiertonne in Höhe von ca. 2,074 Millionen Euro. Im Übrigen sei der Landkreis gegenüber einer nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG mit Sammlung, Transport und Verwertung von PPK-Abfällen beauftragten Arbeitsgemeinschaft vertraglich gebunden; bei einer Mengenunterschreitung um mehr als 10% des prognostizierten Aufkommens könne sie Preisanpassungen verlangen. Überdies sei der Vertrag bezüglich der Sammlung und des Transports aus dem Jahre 2003 Ergebnis eines Vergabeverfahrens, an dem die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (die Fa. Rethmann) erfolglos teilgenommen habe. Werde die beabsichtigte Sammlung zugelassen, würde demnach das Ausschreibungsverfahren unzulässig unterlaufen.
Am 17. Juni 2008 hat die Antragstellerin Widerspruch gegen die Verfügung des Antragsgegners erhoben - über den noch nicht entschieden ist - und zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2008 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wieder hergestellt. Die Antragstellerin darf deshalb weiterhin blaue Tonnen aufstellen und muss aufgestellte Tonnen nicht zurückholen.
Das Gericht führte im Wesentlichen, wie schon in einem vergleichbaren Beschluss, das Stadtgebiet Göttingen betreffend, aus, die von der Antragstellerin beabsichtigte Sammlung sei nach derzeitiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage jedenfalls gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zulässig. Die Bereitschaft und Fähigkeit der Antragstellerin, die PPK-Abfälle ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten, habe sie dem Antragsgegner im Wesentlichen dargelegt. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG in Kauf genommen, dass sich gewerbliche Sammler vorrangig auf lukrativ erscheinende Entsorgungsbereiche und Abfallfraktionen konzentrieren (sog. "Rosinenpicken") und dass sie sich zurückziehen, wenn sich durch Preisschwankungen oder sonstige Veränderungen die zu erzielenden Gewinne verringern. Dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werde insoweit ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt, hierfür Vorkehrungen zu treffen und die Abfallentsorgungsstrukturen entsprechend zu gestalten. Eine nach den Maßstäben des Nds. OVG erhebliche und damit relevante Gebührenerhöhung habe der Antragsgegner nicht hinreichend nachgewiesen. Die vom Antragsgegner vorgetragenen Investitionskosten in Höhe von 2,074 Millionen Euro seien weder durch Verträge oder ähnliches belegt noch aufgrund der dem Gericht vorliegenden Unterlagen in vollem Umfang nachvollziehbar. Den Nachweis einer drohenden Gebührenerhöhung von 14,31 € im Jahr pro Haushalt habe der Antragsgegner nicht erbracht.
Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner die Sammlung und den Transport der PPK-Abfälle nicht selbst durchführt, sondern hiermit die Arbeitsgemeinschaft Fehr-Cleanaway-Simon als privaten Dritten i.S.d. § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG bis zum 31. Dezember 2011 beauftragt hat, ließe sich ebenfalls ein überwiegendes entgegenstehendes öffentliches Interesse nicht herleiten. Für das vom Antragsgegner im Ergebnis damit gewollte Verbot für einen im Vergabeverfahren unterlegenen Anbieter, wie die Antragstellerin, sich auf die Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zu berufen, fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Schließlich drang der Landkreis nicht mit seinem Argument durch, die von der Antragstellerin aufgestellten blauen Tonnen, versperrten Wege und Straßen. Dies sei keine das "Ob" des Aufstellens betreffende Frage, sondern betreffe das "Wie". Gegen eine etwaige auf das "Wie" der Sammlung bezogene straßenrechtlich unzulässige Aufstellweise könne nur mit den Instrumenten des Straßenrechts (§ 22 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG) eingeschritten werden. Hierfür wäre allerdings in der weit überwiegenden Zahl der Fälle (Gemeindestraßen, Ortsdurchfahrten) nicht der Antragsgegner, sondern gemäß §§ 18 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 48 Satz 1, 49 Satz 1 NStrG die jeweilige Gemeinde als Straßenbaulastträgerin zuständig.
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erstellt am:
03.07.2008
zuletzt aktualisiert am:
07.06.2010