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Ausweisung eines medienbekannten türkischen Staatsangehörigen vorläufig gestoppt

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts hat am 22.12.2020 dem Antrag eines medienbekannten türkischen Staatsangehörigen stattgegeben, mit dem dieser sich gegen seine Ausweisung und eine verfügte polizeiliche Meldepflicht gewandt hatte (1 B 13/20).

Mit Urteil vom 14.01.2020 hatte das Bundesverwaltungsgericht die auf § 58a AufenthG gestützte (Gefährderabschiebung) Abschiebungsanordnung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport aufgehoben. Das Ministerium war davon ausgegangen, dass der Antragsteller, der im Sommer 2018 nach Göttingen gezogen war, wegen seines Umgangs mit Angehörigen der radikal-salafistischen Szene selbst radikalisiert worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht hatte demgegenüber keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme gesehen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen islamistischen Gefährder handele. Am Tag der Urteilsverkündung wies nunmehr die Stadt Göttingen als allgemein zuständige Ausländerbehörde den Antragsteller auf Grundlage der §§ 53 – 55 AufenthG aus Deutschland aus und verfügte ergänzend eine Meldepflicht sowie die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidungen. Die Stadt Göttingen begründete die Ausweisung im Wesentlichen mit der Straffälligkeit des Antragstellers und seiner besonderen Gefährlichkeit. Sein Interesse am Verbleib in Deutschland müsse dagegen zurücktreten.

Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 14.01.2020 Klage erhoben (1 A 12/20). Zudem suchte er beim Verwaltungsgericht Göttingen um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach.

Diesem Eilantrag gab das Gericht nun statt.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Ausweisung des Antragstellers sei nach der im Eilverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung nach Aktenlage rechtswidrig. Dabei berücksichtigte das Gericht den Umstand, dass sich der Antragsteller auf den erhöhten Ausweisungsschutz für bestimmte türkische Staatsangehörige nach § 53 Absatz 3 AufenthG berufen kann. Dieser nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei bestehende Ausweisungsschutz erfordere es, dass die Ausweisung für die Wahrung der Grundinteressen der Gesellschaft unerlässlich sein muss. Es gebe, so das Gericht, zwar einen Ausweisungsanlass, weil von dem Antragsteller die konkrete Gefahr ausgehe, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen werde. Diese Einschätzung begründete das Gericht insbesondere mit den bisher vom Antragsteller begangenen Straftaten und seinem aktenkundigen Persönlichkeitsbild. Das Gericht folgte aber nicht der Auffassung der Stadt Göttingen, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiege. Die Ausweisung sei nicht unerlässlich. Der Antragsteller sei bislang nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung, die nicht widerrufen worden sei und schon über sieben Jahre zurückliege und zu Geldstrafen verurteilt worden. Er sei in Deutschland geboren, habe immer über ein, seit 2006 unbefristetes, Aufenthaltsrecht verfügt und sei in Deutschland verwurzelt. Seine gesamte türkischstämmige Familie und ein minderjähriges Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit lebten in Deutschland. Sein Bleibeinteresse als sogenannter „faktischer Inländer“ wiege deshalb in der Gesamtabwägung besonders schwer und überwiege im Ergebnis das Ausweisungsinteresse.

Die Stadt Göttingen kann gegen diesen Beschluss innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.01.2021

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