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Verwaltungsgericht gibt Eilantrag gegen Erweiterung des Bioenergiedorfs Jühnde teilweise statt.

Das VG Göttingen hat mit Beschluss vom 07.11. 2017 dem einstweiligen Rechtsschutzantrag eines Nachbarn teilweise stattgegeben, mit dem dieser sich gegen die Erweiterung der Biogasanlage in Jühnde gewendet hat (4 B 261/17).

Jühnde ging im Jahr 2004 als erstes Bioenergiedorf in Deutschland ans Netz. Die Biogasanlage dient der Erzeugung von Strom und Wärme aus Biomasse. Im Mai 2015 beantragte die Firma Bioenergiedorf Jühnde e.G. die Erweiterung ihrer Biogasanlage um im Wesentlichen zwei Spitzenlast-Blockheizkraftwerke. Hiermit sollte ein flexiblerer Betrieb der Anlage erreicht werden. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Göttingen genehmigte die Errichtung und den Betrieb dieses Vorhabens mit Bescheid vom 22. Dezember 2015.

Im April 2016 beantragte die Firma Bioenergiedorf Jühnde zudem die vollständige Nutzung des vorhandenen Gärrestelagers, die Wiederaufnahme der genehmigten Biogasproduktionsmenge von 2,69 Mio. Nm³, welche bis dahin betriebsbedingt reduziert worden war, sowie die Änderung des Havariebeckens. Nach Einholung eines Abstandsgutachtens genehmigte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Göttingen mit Bescheid vom 9. März 2017 auch diese Maßnahmen. In diesem Umfang unterliegt die Biogasanlage der sogenannten Störfallverordnung, da in ihr mehr als 10.000 kg hochentzündliches Biogas gelagert werden können. Aus dem erhöhten Gefahrenpotential resultieren weitergehende Betreiberpflichten zur Verhinderung und Begrenzung von Störfällen.

Im April bzw. August 2017 ordnete der Antragsgegner auf entsprechende Anträge des Betreibers jeweils die sofortige Vollziehung der Bescheide vom 22. Dezember 2015 sowie vom 9. März 2017 an.

Der Nachbar, dessen Wohnhaus weniger als 100 m von dem Anlagengelände entfernt liegt, griff die Bescheide mit der Klage an und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Seiner Auffassung nach liegt sein Grundstück im Gefährdungsbereich der Biogasanlage. Das Abstandsgebot zur Begrenzung der Folgen eines Störfalles sei nicht eingehalten worden. Es fehle zudem an ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen für den Fall einer Havarie. Schließlich sei die Biogasanlage bereits vor Erlass des Bescheides vom 9. März 2017 in den Anwendungsbereich der Störfallverordnung gefallen.

Diesem Antrag gab das Gericht nun hinsichtlich des Bescheides vom 9. März 2017 (Gärrestelage, Havariebecken) statt. Es war nicht überzeugt davon, dass die im Abstandsgutachten angenommene Schwefelwasserstoffkonzentration im Biogas mit den tatsächlichen Verhältnissen in der streitbefangenen Anlage übereinstimme. Trotz mehrmaliger gerichtlicher Anfrage hätten hierüber keine gesicherten Erkenntnisse gewonnen werden können. Im Rahmen einer Interessenabwägung sah das Gericht angesichts der erheblichen Gefahren, die durch einen Austritt von Schwefelwasserstoff entstehen können, das Aussetzungsinteresse des Nachbarn als gewichtiger an als das wirtschaftliche Interesse der zum Verfahren beigeladenen Betreiberin an der sofortigen Ausnutzung der Änderungsgenehmigung.

Hinsichtlich des Bescheides vom 22. Dezember 2015 (zwei Blockheizkraftwerke) hatte das Gericht hingegen keine rechtlichen Bedenken. Nach Auffassung des Gerichts kommt es insoweit auf die Frage der konkreten Schwefelwasserstoffkonzentration im Biogas nicht an, da die Genehmigung vom 22. Dezember 2015 die in der Biogasanlage vorhandene Gasmenge unverändert gelassen habe. Auch seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Biogasanlage bereits vor Erlass des Bescheides vom 9. März 2017 in den Anwendungsbereich der Störfallverordnung falle. Schließlich überzeugten die vom Nachbarn vorgebrachten Argumente hinsichtlich der von der Biogasanlage ausgehenden Geräusch- und Geruchsbelastung das Gericht im Eilverfahren nicht.

Die Beteiligten können gegen den Beschluss innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Nds. Oberverwaltungsgericht einlegen. Die Klage des Nachbarn gegen die Änderungsgenehmigungen (4 A 158/17) ist weiterhin anhängig.

Artikel-Informationen

erstellt am:
06.12.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Dieter Wenderoth

Verwaltungsgericht Göttingen
Berliner Straße 5
37073 Göttingen
Tel: 0551 403-2027
Fax: 05141 5937-33300

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